Ich akzeptiere mich mit all meinen Sonnenseiten, aber ebenso mit all meinen Schattenseiten. Da mag mancher sagen: Sonnenseiten ja, aber Schattenseiten? Wie soll das gehen, wenn ich immer wieder so aufbrausend bin oder so träge, oder wenn ich nie an der Schublade mit den Süßigkeiten vorbeikomme, ohne hinein zu langen?
Was passiert, wenn mich meine vermeintlichen Schwächen unzufrieden und ärgerlich machen? Ich gebe diesen Schwächen Macht über mich, ich mache sie damit noch stärker. Ärger nach innen wirkt genauso wie Ärger nach außen. Wenn ich mich über eine Sache im Außen ärgere, wird das an der Sache nichts ändern. Ich selbst vermiese mir aber das Leben mit diesem Ärger. Und solange ich mich über diese Sache ärgere, beherrscht sie mich. Genauso wirkt der Ärger über ein unliebsames Verhaltensmuster, von dem ich mich immer wieder überwältigen lasse.
Aber wie werde ich dann dieses Verhaltensmuster los? Davor steht die Frage: Will ich es wirklich loswerden? Jedes Verhaltensmuster hatte irgendwann mal seinen Sinn und war mir von Nutzen. Vielleicht habe ich mich früher dann und wann mit einer Praline belohnt, und das war gut so. Möglicherweise sagt mir jetzt meine Personenwaage, ich sollte mir besser ein anderes Belohnungssystem aussuchen.
Allein diese Erkenntnis setzt ein Mindestmaß an Bewusstheit voraus. Wenn ich etwas ändern möchte, muss ich mir den Wunsch oder die Notwendigkeit der Veränderung bewusst machen. Unbewusste Menschen verharren im Ärger, suchen vielleicht noch die Schuld für ihren Ärger in den Umständen oder bei anderen Menschen und geben damit den Umständen oder anderen Menschen wieder Macht über sich (s.o.).
Ohne dass ich mir eine Schwäche bewusst gemacht und akzeptiert habe, ist keine Veränderung möglich. Also: Ich akzeptiere mich, so wie ich bin, mit all meinen Sonnenseiten, aber auch mit all meinen Schattenseiten.
Und davon abgesehen: Wer mag schon anscheinend makellose Menschen oder Menschen, die sich für perfekt halten? Werden Menschen nicht gerade durch ihre kleinen Fehler interessant? Karl Marx hat festgestellt, dass Widersprüche die Triebkräfte der Entwicklung sind. Also bringen mich gerade meine Widersprüche voran, vorausgesetzt, ich mache sie mir bewusst und entscheide genauso bewusst, ob ich mit ihnen leben oder eine Veränderung möchte.